Holarse testet für euch Transport Fever

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Transport Fever ist eine Verkehrs- und Logistiksimulation von Urban Games aus dem schweizerischen Schaffhausen. Sie haben uns freundlicherweise einen Key zur Verfügung gestellt, damit wir uns den Nachfolger von Train Fever einmal näher anschauen können.
Das Spiel wurde im Herbst 2016 veröffentlicht und war bereits ab dem Release mit einer Linux-Version ausgestattet. Es ist auf Steam, im Humble Store und auf GOG erhältlich. Auf letzterem ist das Spiel DRM-frei erhältlich.
Offiziell werden Ubuntu 14.04 und 16.04 unterstützt, ich habe aber auch auf einem OpenSUSE-System keine Probleme festgestellt. Die Grafikkarte sollte zumindest eine NVIDIA GTX 260 oder eine AMD Radeon HD 5670 mit jeweils 1 GB VRAM sein, um die anspruchsvolle Grafik darzustellen.

Wirtschaftssimulation mit guter Grafik

Die Grafikkarten-Angaben sollte man jedoch deutlich übertreffen, wenn man Wert darauf legt, die schöne Grafik auf seinen Monitor zu zaubern. Natürlich handelt es sich bei dem Spiel um eine Wirtschafts- und Logistik-Simulation, dennoch finde ich den Detailgrad der Grafik sehr ansprechend. Zusammen mit der historisch korrekten Darstellung der Fahrzeuge und den zahlreichen echten Modellen, die eingesetzt werden, kommt das ganze schon sehr nach an eine echte Modelleisenbahn heran. Natürlich habe ich von Zügen keine Ahnung. Aufgrund der Bezeichnungen der Modelle und einigen Zugarten liegt die Vermutung allerdings nahe, dass die Entwickler sich hier an die Originale gehalten oder sich zumindest sehr nah daran orientiert haben. Neben den zahlreichen Zügen, Waggons und Gleisstellzeichen kann man auch Boote und Schiffe, sowie Lastkraftwagen und Busse fahren lassen. Neu hinzugekommen sind auch die Flugzeuge, die auf großen platzeinnehmenden Flughäfen starten und landen.

Eine Augenweide ist es den Dampfloks bei der Arbeit zuzusehen. Diese nebeln ihre Umgebung vollständig ein und ziehe große Rauchschwaden hinter sich her. Gepaart mit den detailliert gestalteten Städten und ihren Bewohnern kommt ein sehr stimmiges Bild zustande. Die Grafik ist natürlich abhängig davon in welchem Zeitalter man sich befindet. Angefangen bei 1850 kann man die Zeit fast frei wählen bis hin in die 1970er. Dort sind dann natürlich die Elektroloks in der Überzahl. Tatsächlich integriert ist auch die Standard-E-Lok, die man aus den Märklin-Startersets kennt, inklusive der Standard-Passierwagen der Deutschen Bahn aus der Zeit der 1980er Jahre. Genau solche Details und die Originalmodelle werten den Gesamteindruck sehr positiv auf.

Gefreut haben mich die zahlreichen kleinen Details, die zeigen, dass in das Spiel doch einiges an Herzblut geflossen ist. So bietet das Spiel einen "Fortsetzen"-Modus an, der direkt den letzten Spielstand lädt, ihn aber auch namentlich nennt, so dass man direkt weiß, wo es weiter geht.

Die Spielmodi

Im Spiel kann man die Kampagne wählen. Dort ist zum einen eine europäische Kampagne mit sieben Missionen verfügbar und eine amerikanische mit ebenfalls sieben Missionen. Jede Mission unterteilt sich dabei nochmals in unterschiedliche Abschnitte. Die erste europäische Mission beginnt am Anfang der Zeitskala des Spiels im Jahre 1850 mit dem Gotthard-Tunnel durch die Alpen. Aufgabe des Spielers ist es dort die nötigen Resourcen für den Bergbau zu liefern und mittels Werkzeugen die Produktion von besseren Minengeräten zu fördern. Diese unterschiedlichen Missionsziele sind es, die die Missionen interessant und gut durchdacht wirken lassen anstatt dass wir plump immer nur Sachen von A nach B bringen müssen, haben wir hier eine wirkliche Aufgabe zu bewältigen und unsere Logistik hilft dabei. Das bringt Spaß ins Spiel. Die nächste Mission beauftragt den Spieler mit dem Wiederaufbau einer stärkeren neuen Brücke, um die alte Brücke zu ersetzen, die durch eine Flut zerstört wurde. Damit wird der Spieler in das Wirtschaftssystem eingeführt, denn für eine Brücke benötigen wir Stahl und den müssen wir aus Kohle und Eisen erstmal herstellen. Je mehr Fabriken angesteuert werden, umso fein granulierter wird das Wirtschaftssystem. Für Freunde des Wirtschaftsklassikers Capitalism oder des Transport Giganten wird das nicht tief genug gehen, feiner als bei Transport Tycoon ist es aber allerdings.

Neben den Missionen lässt sich noch das freie Spiel spielen. Die Karten kann man mit Keys immer wieder erneut generieren. Neben dem europäischen lässt sich auch die amerikanische oder eine eigene Szenerie auswählen. Die Größe der Karte lässt sich auch einstellen (klein, mittel, groß) und das Startjahr festlegen. Von 1850 bis 1900 und 1950 sind vor wählbar, es lässt sich aber auch jedes Jahr einzeln bis hin zum Jahr 1990 anwählen. Das Startjahr entscheidet natürlich über die grundlegenden verfügbaren Starttechnologien und Modelle. Die Start- und Ladephasen der kleinen Karten dauert schon eine kleine Weile (20s auf dem Tuxedo Book XC1507 mit einem Intel i7-6700HQ). Leider gibt es anfangs immer wieder kleine Ruckler, als ob das Spiel kurz hängt um weitere Texturen und Modelle einzuladen. Nach einer Weile scheint alles eingeladen zu sein und die Ruckler werden deutlich seltener.

Der vorhin genannte Detailgrad, lässt sich am Wirtschaftssystem ebenfalls sehen. Jede produzierte Ware landet in Kisten, Fässern oder Säcken am Fabrikgelände. Nimmt der Zug oder LKW vier Kisten mit, dann fehlen diese auch nachzählbar auf dem Fabrikgelände. Am Ziel angekommen werden diese vier Kisten auch wieder ausgeliefert und verteilt. Der Weg jeder Kiste ist damit nachvollziehbar und nicht nur eine hübsche grafische Darstellung sondern stellt den wirklichen Stand des Betriebs da. Genauso verhält es sich auch mit Passagieren, die in der Stadt unterwegs sind und immer einen Herkunftsort und ein Ziel haben, wie zum Beispiel zur Arbeit oder zum Einkaufen. Das Prinzip fand auch schon in Simutrans, Cities In Motion und Cities Skylines verwendet und mich freut es, dass der Wirtschaftsteil hier genauso tiefgehend ist. Grade die einzelnen Waren oder Passiere, aber auch die lebendigen wachsenden Städte und der unglaublich gute First-Person-Modus (hier kann man mit dem Fahrzeug oder dem Zug mitfahren) führen zusammen mit den Details wie den akkurat besetzten Personenzügen und dem Zugführer zu einer guten Immersion ins Spiel.

UX kann noch verbessert werden

Ein wenig unglücklich geraten ist jedoch die grafische Benutzeroberfläche. Im Menü ist noch alles schick, die freien Missionen könnten gerne noch etwas detaillierter einstellbar sein (Ortsnamen zum Beispiel aus bestimmten Regionen auswählen), im Spiel ist vieles jedoch versteckter oder schwieriger zu finden. Sobald man weiss, wo sich alles befindet (das Tutorial sollte man also grundsätzlich einmal spielen), findet man sich gut zurecht. Mit der Liniensteuerung für die einzelnen Strecken dürfte man jedoch grade im Endspiel etwas die Übersicht verlieren. Hier muss man diszipliniert vorgehen und den Linien ordentliche Namen geben, sonst muss man später aus einer langen Liste von Linie 1 bis Linie 32 die korrekte Linie auswählen. Gut dass die Linien farblich auf der Strecke markiert werden, durchgehen muss man sie jedoch alle, wenn man sie nicht auswendig kennt oder korrekt benannt hat. Das einige Funktionen auch nur hinter Text-Labels versteckt sind, hat mich einige Suchzeit gekostet. Hier hätte man mit farblichen Markierungen oder einfachen Buttons schon die Funktion ausdrücken können.
Etwas schwierig finde ich auch das Hinzufügen von Bahnhöfen oder Haltestellen zu einer Linie. Hier muss man genau das Gebäude treffen, die große farbliche Markierung, die den Bahnhof repräsentiert, funktioniert da leider nicht. Das kriegen andere Spiele eleganter hin. Vermisst hab ich auch die Anzeige, welche Transportmittel eine Station nun befahren können. Der einzige Hinweis zum Beispiel bei einer Fabrik bei der der Zug Ware hinbringt und ein LKW Ware abholt ist, dass beide Stationen die Fabrik weiß markieren. Das die Stationen sich nun die Waren quasi teilen fehlte mir in Form eines Symbols, wie es zum Beispiel bei Transport Tycoon der Fall ist. Es funktioniert, aber ist nicht wirklich schnell ersichtlich. An der GUI kann also wirklich noch etwas verbessert werden, der Rest ist allerdings stimmig.

Die Portierung auf Linux ist einwandfrei, hier kann ich keine Einschränkungen erkennen. Abstürze hatte ich während meiner 14-Stündigen Testphase auch nicht zu verzeichnen.

Fazit

Für Wirtschaftssimulationsfreunde und Freude der Eisenbahn- und oder Transportsimulationen ist Transport Fever unbedingt ein Blick wert! Wer gerne Transport Tycoon, Simutrans oder Cities in Motion spielt und sich in Cities Skylines dabei ertappt den Verkehr zu optimieren, sollte sich das Spiel genauer ansehen. An die Schwierigkeiten mit der GUI gewöhnt man sich und da es sich um kein schnelles Spiel handelt, wird es hier auch nicht zum Nachteil, und zum Glück patchen die Entwickler fleißig weiter. Abschließend können wir also eine klare Empfehlung aussprechen!

Nachtrag

Scheinbar wurde heute ein Performance-Patch veröffentlicht, der die oben genannten Ruckler beheben soll: http://www.transportfever.com/performance-patch-released/

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